Bouldern, was ist das – eine kurze Einleitung

Bouldern ist ein verdeutschter englischer Begriff. Ein “Boulder” nennt man im angelsächsischen Sprachraum einen meist grösseren Steinbrocken, “bouldern” demzufolge verdeutscht sich in irgendeiner Form mit diesem Steinbrocken zu beschäftigen. Sich mit einem Steinbrocken zu beschäftigen heisst für uns KletterInnen wiederum, dass wir aus sportlicher Neugierde heraus versuchen, einen Weg finden auf diesen Steinbrocken zu gelangen.

Im äusserst vielfältigen Betätigungsbereich des Alpinismus hat das Bouldern tatsächlich eine der längsten Traditionen. Viele namhafte BergsteigerInnen haben bereits vor vielen Jahrzehnten erkannt, dass für grosse alpinistische Unternehmungen, wie für jede grosse sportliche Tat, gute Vorbereitung und Training essentiell ist. Wenngleich es der grossen Gebirge auf der Erde nicht unendlich viele gibt, gibt es doch unzählige Regionen, in denen kurze Felswände stehen oder gar nur Felder von Felsblöcken an Orten liegen, weitab von irgenwelchen Gebirgen. Das Trainingspotenzial dieser Felsblöcke für grössere Unternehmungen wurde wie gesagt früh erkannt.

Auch in der Region Nordwestschweiz stehen kleine Gebrige, die besonders im Laufen- und Birstal meist von Weitem sichtbaren Flühe. Auch diese werden aus den gleichen Beweggründen schon seit weit über hundert Jahren beklettert. Das Klettern im gesamten Jurabogen genauso wie im Laufental hat also eine sehr lange Tradition. Man denke nur an Männer wie Hans (John) Salathé, der Hufschmied aus Füllinsdorf, der Ende der 1920er Jahre in die USA emigrierte, dort die zur Absicherung nötigen Felshaken revolutionierte und selber einige grossartige Klettereien an den Bigwalls des Yosemite Valleys eröffnete. Oder an Lorenz Saladin, einer schillernden Bergsteigerpersönlichkeit aus Nuglar im Schwarzbubenland der aufgrund seiner politischen Überzeugung mit meist russischen Bergsteigern teils haarsträubende Besteigungen im Kaukasus, dem Pamir und Tienschan in Zentralasien gemacht hat. Oder Jiří Smíd, der bis zu seinem Tod in Niederdorf lebende Exiltscheche, der mit der Begehung des Tschechenpfeilers sowie dem Toni Hiebeler Gedächtnisweg in der Eigernordwand Massstäbe gesetzt hat. Oder in jüngerer Zeit Eric Talmadge, der Basler, der Anfang der 2000er Jahre an der Fluh Tüfleten bei Dornach nach jahrelanger Vorarbeit mit der Route Shogun dem Basler Jura die erste Route im glatten elften Schwierigkeitsgrad beschert hat.

Es gibt noch viele weitere namhafte Alpinisten und Kletterer aus der Region die an den Flühen des Basler Jura ihr Handwerk gelernt haben und auch für uns bietet der Fels des Jura in der Region Basel immer wieder neue Abenteuer.

Die Entwicklung steht aber auch im Alpinismus bekanntlich nicht still. Waren lange Zeit die Flühe der Region Training und Abenteuer zugleich, so ist doch seit geraumer Zeit der Trend zu noch kürzeren Kletterein, eben dem sogenannten Bouldern zu erkennen. Viele eigentliche Boulderblöcke bietet der Basler Jura zwar nicht, dafür geht der Trend Richtung Indoorbouldern, womit dieser Sport eine grosse massentauglichkeit erhalten hat und in den letzten Jahren einen starken Sog entwickelte, sodass heute schon erstaunlich viele Leute diesen Sport für sich entdeckt haben.

An dieser Stelle wären wir nochmals bei der eingangs gestellten Frage: Bouldern, was ist das?

Bouldern heute

Nun, Bouldern ist letzlich die Essenz des Kletterns. Es geht allein darum die Lösung für ein sogenanntes Boulderproblem zu finden, d.h. einen möglichen Weg zu finden, der uns auf den Block bringt, die Lösung für ein Rätsel, das uns outdoor die Natur anbietet oder das uns Indoor ein Routenbauer stellt. Diese Lösung zu finden mögen einige gerne alleine tun, andere wiederum schwören auf die Intelligenz des Kollektivs um einen gangbaren Weg zu finden. Ein Boulderproblem ist somit quasi ein sportlich-spielerisches Sudoku und wir BoulderInnen somit richtige GamerInnen ;-). Für dieses Game wird aber glücklicherweise sogut wie kein Material benötigt, nicht immer wieder die neueste Konsole, ein schnellerer Rechner oder grösserer Bildschirm. Ein paar Kletterschuhe, am Anfang reichen auch Hallenturnschuhe, Gymnastikschläppli oder dergleichen und vielleicht etwas Magnesium um den Handschweiss zu trocknen ist tatsächlich alles das an Material benötigt wird. Bouldern ist daher wohl eine der am günstigsten zu betreibenden Sportarten. Man ist nicht von irgendwelcher Technik abhängig, d.h. das Rennen ist nicht gelaufen, weil die Schaltung zu Bruch ging, oder anders herum: man ist allein selber für den Erfolg (oder auch mal weniger Erfolg…) zuständig. Um zur Essenz des Kletterns zu gelangen braucht man sich beim Bouldern nicht wie beim Felsklettern mit irgenwelchem Sicherungsmaterial oder -abläufen zu beschäftigen, Weichbodenmatten fangen uns sanft auf, sollte uns der Boulder “abwerfen”, wir also mal des Rätsels Lösung vielleicht noch nicht gefunden haben. Diese Art der Kletterei findet nämlich in Bodennähe statt, d.h. in gefahrloser Absprunghöhe.

Bouldern, wie Felsklettern, ist wohl eine der abwechslungsreichsten Sportarten überhaupt. Es ist unschwer sich vorzustellen, dass die Natur uns weltweit keine zwei identischen Boulderzüge vorgibt, ebenso gut wie ausgeschlossen ist, dass zwei Routenbauer, Personen die in Boulder- und Kletterhallen Routen kreieren, zwei genau gleiche Probleme vorgeben. Daher stellt uns das Bouldern auch immer wieder vor neue Herausforderungen mentaler und physischer Natur. Neben der Stärkung der Muskeln in Fingern, Armen, Schultern, Oberkörper, Rumpf und Rücken werden daher ganz unterbewusst viele andere Fähigkeiten geschult, namentlich die motorische Koordination, das Zusammenspiel von Muskelgruppen, die Balance, das räumliche Vorstellungsvermögen, das Selbsvertrauen, der Durchhaltewillen, der Umgang mit Angst sowie soziale Aspekte beim Bouldern in der Gruppe. Das Bouldern fördert demnach in animierender Art und Weise nahezu sämtliche Fähigkeiten die heutzutage als für einen gesunden Alterungsprozess wichtig erkannt wurden. Apropos: Ü30, Ü40, Ü50, Ü60, Ü70, Ü80… Noch reifer? Wirklich kein Problem! Mit durchschnittlich sportlicher Konstitution und entsprechender Vorsicht kann man Bouldern selbst in fortgeschrittenem Alter gefahrlos erlernen und sich daran erfreuen, wenn man wieder mal ein Problemchen geknackt hat!

Und zuguter Letzt: nicht, dass Sie jetzt denken, sie müssten sich erst einem rigorosen Krafttraining unterziehen bevor Sie mit dem Bouldern loslegen! Nein! Die nötigen Kräfte kommen beim Bouldern selber ganz von alleine. Ein ganz grosser und seinerzeit einer der stärksten Kletterer überhaupt hat übrigens absolut richtig erkannt: der wichtigste Muskel fürs Klettern (und Bouldern) ist das Gehirn!

In diesem Sinne: Auf geht’s!